PrologSonnenuntergang am Strand von Benalmadena. Herbst 2011. Und Fred und Angies Beachbar "Ring of Kerry" tankt noch mindestens eine halbe Stunde wärmende, blendende, tief stehende Sonne aus dem Westen. Ich habe zum Glück den letzten freien Zweiertisch an der Treppe erwischt. Fred wienert hinter seiner Theke Cocktailgläser und erwidert teilnahmslos nickend mein "Hi". Seine wie immer strahlende, fette Angie mit den grün gefärbten Zöpfen bringt mir stumm lächelnd meinen ersten halben, "kostenlosen" Liter schäumendes San Miguel vom Fass und dazu einen spanischen Tomaten-Knoblauch-Bocadillo. Das läuft hier lautlos, automatisch für mich, ohne Bestellung. Bin doch akzeptierter Stammgast der beliebten Kneipe. Man kennt meine Bedürfnisse.Links, in der Zufahrtsstraße zur A7, habe ich meinen alten, offenen, feuerroten SL-Pagodendach geparkt, den ich natürlich ab und zu mit zusammengekniffenen Augen kontrolliere. Fehlt ja noch, dass irgendein Afrikaner von der Plagiatshändlerbande mein Radio rausbricht, oder ein neidischer deutscher Tourist wegen der deutschen Nummer ihm 'ne linke Schramme verpasst. Und ich fühl mich heute wie immer richtig top drauf, weil ich mir vorher zu Hause immer zwei doppelte Soberanos reinkippe. Das spart Kohle, harte Euros, die ich arme Sau leider nun mal im Alter dreimal umdrehen muss.Vor meinem geliebten SL parkt meist ein schneeweißes Jaguar E-Cabrio aus den Sechzigern. Es gehört Poppy, dem gestopften Häuserspekulanten aus meiner Frankfurter Glanzzeit, der sich vor zwei Jahren eine Ferienvilla in Marbella kaufte. Einem knallharten, menschenverachtenden Hasardeur, der großes Geld auf Kosten vieler schwacher Mieter machte. Mit Sanier-Psychoterror. Durch Leerstandsdruck und zermürbender Bauarbeitsdrangsalierung und natürlich lockender Abstandskohle räumte er gnadenlos den billig wohnenden Altmieterbestand. Blendende Ramschrenovierung brachte ihm nach erfolgter Aufteilung in begehrte Altbau-Eigentumswohnungen den großen Reibach. Damals in den Siebzigern und Achtzigern wurden Deutschlands Innenstadtmietshäuser ruckzuck von einer cleveren Piratenbande gekapert, geräumt, aufgemotzt und in kleinen Stücken als Eigentumswohnungen verschachert. Ich kriegte die Immobilienspeku schon als kleiner Knirps mit. Meine Leute waren seit Generationen Mieter gewesen und so akzeptierten auch meine Eltern es einfach kritiklos, das deutsche Mieterproletariersystem.Mutti machte ihr ganzes Leben lang auf nette kleine graue Maus. Eine, die sich immer gut mit Mitmietern und Hausbesitzer verstand, weil sie nicht aufmuckte. Geduldig, nur ihr "kleines Glück": Freundschaften mit freundlichen Nachbarn und Erfüllung im schützenden Familienhort als Erfüllung sehend, ertrug sie geduldig ihr "ererbtes Schicksal". Durch Geburt zu denen "ganz unten" zu gehören, den Mieterproleten. Die "oben": Ladenbesitzer, Handwerksmeister oder Ärzte in der Nachbarschaft waren für sie "die Gewinner mit dicker Brieftasche", die "reichen Hausbesitzer". Der unerreichbare Geldadel von ihnen verkehrte nur in seinem sozialen Bereich. Kontakte mit der höheren Schicht erfuhr Mutti durch den jährlichen Arztbesuch und ein zwei Gespräche mit ihrem Hauswirt. "Sieh zu, dass du es weiter schaffst als Vati", trichterte sie mir ein. Und dass es nur zwei Typen von Hausbesitzern gäbe: menschenverachtende, sich anbiedernde "Schleimer" oder brutale "Abkocher"! Für die waren Mieter eine stumpfsinnige, dumme Kuhherde, die ein Leben lang Monat für Monat ohnmächtig in Reihe antrat, um "bis zum letzten Tropfen" gemolken zu werden. Schluckt doch die Monatsmiete bei den meisten Deutschen bis zu 40 Prozent ihres oft hart erschufteten Monatseinkommens. Da bleibt nicht viel übrig für etwas anspruchsvollere Lebensgestaltung. Hausbesitzer fuhren bei uns fast alle als Statussymbol ihren Mercedes. Wir Lemminge leider mit dem klappernden, vollgepropften Uralt-Vorstadtbus. Ja, meine Mutter und auch mein Alter, die "wussten Bescheid", kamen aber ni... Mehr