Seit den 70er Jahren trat Preussler auch als Autor von Romanen für Jugendliche und Erwachsene an die Öffentlichkeit. Viele seiner Geschichten sind Erinnerungen an seine böhmische Kindheit und Jugend, und einige spielen auch in der Gegend um Nordböhmen, in Reichenberg selbst (»Herr Klingsor«), im Riesengebirge (»Rübezahl«), in der Lausitz (»Krabat«). Auch »Die Flucht nach Ägypten« führt durch Böhmen, ?quer durch den nördlichen Teil des Landes, bei Schluckenau etwa herein in das böhmische Niederland, dann nicht ganz bis zum Jeschken hinum, dann weiter im Vorland des Iser- und Riesen-gebirges, durch vorwiegend ärmliche, meist von Glasmachern, Leinewebern und kleinen Häuselleuten bevölkerte Gegenden bis in die Nähe von Trautenau - und zuletzt auf der Alten Zollstrasse über Schatzlar hinaus ins Schlesische, wo es dann nach Ägypten hinüber nicht allzu weit mehr gewesen ist.? Preussler verschiebt seine Weihnachtsgeschichte nicht nur in geographischer Hinsicht, sondern auch in zeitlicher: Die Flucht führt die heiligen Wandersleute aus Bethlehem nicht durch Tschechien, die Tschechoslowakei oder gar das Protektorat, sondern durch das Königreich Böhmen, durch eine Zeit also, die chronologisch vor den grossen Katastrophen liegt, die diese Gegend später heimgesucht haben. Es schickt also der König Herodes, nachdem die heilige Familie ihm ausgebüchst ist, dem Kaiser Franz-Joseph von Österreich ein Telegramm des Inhalts, dass man ?den in Begleitung seiner Familie auf der Flucht nach Ägypten befindlichen Zimmermann Josef aus Nazareth, im Falle er königlich böhmisches Territorium überqueren sollte, samt Weib und vor allem Kind ohne Nachsicht aufgreifen, festnehmen und nebst Anhang im Wege der gegenseitigen Amtshilfe unverzüglich an ihn, Seine Majestät den König Herodes, ins jüdische Land auf den Schub bringen wolle.? Seine Kaiserlich-königlich-apostolische Majestät von Österreich-Ungarn leitet das Ansuchen an die Statthalterei in Prag weiter, und letztlich ist es der k.k. Gendarmeriepostenkommandant Leopold Hawlitschek aus der Gemeinde Hühnerwasser, der die Verfolgung aufnimmt. Zur Seite steht ihm der Metzgerhund Tyras, in den klammheimlich der Herr Teufel Pospi?il gefahren ist, was man sich höllischerseits ausbedungen hat, da auch die bethlehemitischen Wandersleute sich des Beistands von höherer Seite erfreuen dürfen ? in Form ihres Esels, in den vorsorglich der Erzengel Gabriel eingefahren ist. »Die Flucht nach Ägypten« ist ein sehr persönliches Buch, ein Buch über Kindheitserinnerungen, über die Natur des Menschen, die vielgestaltigen Formen des Mit- und Gegeneinander von Deutschen und Tschechen in Böhmen und die Bürokratie der Habsburger-Monarchie. Es ist ein Spiegel, ein Meisterwerk der feinen und feinsinnigen Beobachtung, voller erzählerischer Kapriolen und spitzer Ironie ohne dabei allerdings je irgendjemanden zu verletzen. Es ist zum Schreien komisch, tieftraurig, nachdenklich, es ist ein brillantes Sprachkunstwerk; es ist alles - und nebenbei, aber nur ganz nebenbei, ist es die wunderbarste Weihnachtsgeschichte seit 2000 Jahren. Sprecher Bernhard Setzwein ist gebürtiger Münchner. Seit 1990 lebt er als freischaffender Autor in Waldmünchen an der bayerisch-böhmischen Grenze. Er ist Autor von Lyrikbänden, Theaterstücken, Romanen, Reiseführern und Rundfunk-Features. Für sein Werk hat er bereits zahlreiche Auszeichnungen und Stipendien erhalten, 2004 wurde er mit der Bamberger Poetikprofessur bedacht. Die bayerisch-böhmische Nachbarschaft ist ihm ein besonderes literarisches Anliegen, so zuletzt auch in seiner Romantrilogie »Die grüne Jungfer«, »Ein seltsames Land« und »Der neue Ton«. Nicht allen Schriftstellern ist es gegeben, ihre Werke lebendig und spannend vorzutragen. Bernhard Setzwein schon. Er ist so ein überzeugender Erzähler und Vorleser, dass er nicht nur seine eigenen Bücher vorliest, sondern auch den Sprecher auf dem LOhrBär-Hörbuch »Paraträume« von Mike Reisinger - und eben der »Flucht nach Ägypten« - gibt, wobei seine listige Vortragsweise und sein Zungenschlag zu den Texten passen wie die Faust aufs Auge. Musik Norbert Vollath (Bassklarinette, Saxophone, Klangobjekte) und Mike Reisinger (Bassklarinette, Akkordeon, Stimme, Perkussion) sind seit 1997 als »Duo De Clarinettes-Basses« bei Konzerten, Kunst-Vernissagen, Literaturlesungen, Filmmusik, Theaterbegleitung oder auf CDs zu hören. Die Begeisterung für die Bassklarinette, ein klanglich extrem vielfältiges und tonal vier Oktaven umfassendes Holzblasinstrument, steht nach wie vor im Mittelpunkt ihres musikalischen Schaffens. Im Lauf der Jahre stellte sich heraus, dass weder Instrumente noch Spieler Berührungsängste mit allen denkbaren Arten von musikalischen Genres kennen. Ob es Jazzstandards sind oder klassische Kompositionen, elegische Atmosphären, Klangkollagen, populäre Melodien, oder die Eigenkompositionen der beiden Musiker; stilistisch ist es stets ein Bassklarinettenorchester. Ein besonderer Schwerpunkt des Duos liegt auf der improvisierten Musik. Dabei beschränkt sich das freie Reagieren nicht allein auf primär musikalische Ereignisse, sondern bezieht den Ort einer Aufführung, den Klangraum, das Thema der Veranstaltung und die Angebote des Moments mit in das Komponieren im Augenblick mit ein. Auf diesem Weg fanden auch weitere Instrumente und Klangerzeuger ihren Platz bei den Aufführungen und Aufnahmen. Vor allem aber fasziniert Reisinger und Vollath das Entstehen einer gemeinsamen musikalischen Sprache, die sich über viele Jahre entwickelte und die - Spieler wie Zuhörer - immer wieder überrascht.... Mehr
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