Die erste GeschichteDies ist also die erste Geschichte. Diese erste Geschichteschreibe ich nur aus einem einzigen Grund: Man hatmir abgeraten, mit der zweiten Geschichte zu beginnen. Ichselbst hätte nichts dagegen gehabt, aber von Seiten des Verlagesmeinte man, es würde ein wenig Verwirrung stiften,mit der zweiten Geschichte zu beginnen und dann erst alszweite Geschichte die erste Geschichte zu bringen. Wobeiich ja gestehen muss, ich habe keine erste Geschichte.Ich leide nämlich seit einiger Zeit an einer offensichtlichunheilbaren Krankheit: Ich kann nichts schreiben. Ganzehrlich: Ich habe überhaupt keine Geschichten. Also imKopf habe ich sie sehr wohl, aber nicht im Computer. Nochnicht.Ich habe schon eine Kieferknochenentzündung vorgetäuscht,um den Abgabetermin verschieben zu können. Zuallem Überfluss habe ich dann wirklich eine Kieferentzündungbekommen. Psychosomatisch sozusagen. Die Vortäuschungder Krankheit hatte einen umgekehrten Placebo-Effekt und so litt ich acht Wochen lang an unbändigenSchmerzen in meinem rechten Oberkiefer. Umgekehrt hatdas leider nicht so gut funktioniert. Die Kieferknochenentzündungließ sich zwar her-, aber nicht wegdenken. ZweiWochen Antibiotika und entzündungshemmende Medikamentewaren die Folge. Was lernen wir daraus? Man sollnur schmerzfreie Krankheiten erfinden, um Termine zuverschieben. Schnupfen, Fieber, eine Nierenkolik.Wobeidie wahrscheinlich auch zu schmerzhaft ist.Liebe LeserIn, ich befürchte, das Buch, das Sie gekaufthaben, ist leer. Ich kann Ihnen das zum jetzigen Zeitpunktnicht hundertprozentig sagen, aber wenn es mit mir undmeiner Schreibblockade so weitergeht, dann gibt es fürSie nichts zu lesen. Ich habe schon überlegt, ob es nichteinen anderen Weg gäbe, die Geschichten in meinem Kopfunter die LeserInnen zu bringen, aber nachdem es nochsehr lange dauern kann, bis wir in der Lage sind, Gedankenzu lesen, scheint es keinen anderen Ausweg zu geben: Ichmuss schreiben.Oder auf die Bühne gehen. Aber deswegenschreibe ich ja, damit ich nicht auf die Bühne muss.Sie können das Buch aber auch gleich weglegen, wennSie wollen. Und in drei Wochen wieder reinschauen,vielleicht hab ich bis dahin etwas zustande gebracht. Ichhabe ohnehin schon die letzten Tage in Ihrer Handtascheverbracht. War ganz nett übrigens. Möchte mich noch beiIhnen bedanken, dass Sie mich nicht in der Toilette abgelegthaben, sondern mit mir unterwegs sind. Können Siesich noch erinnern, liebe LeserIn, wie wir uns das erste Malgetroffen haben? Sie sind in der Buchhandlung gestandenund haben mich durchgeblättert. Sie haben wunderschöneHände. Wie sehr ich es in diesem Moment bereut habe,nichts geschrieben zu haben und Sie enttäuschen zu müssen.Ich schwöre Ihnen, ich werde schreiben. Ich werdealles versuchen, um Ihnen Freude zu bereiten.Also dann. Ich schreibe jetzt. Oder kann ich Ihnen vielleichtauf eine andere Art Freude bereiten? Wollen Sie einenStrauß Rosen oder eine Bonboniere? Ja, eine Bonboniere istvielleicht gar keine so schlechte Idee. "Der frühe Wurm hateinen Vogel" lauter kleine Milchschokowürmer, die vonVögeln aus Bitterschokolade aufgepickt werden. Das wärdoch was! Aber woher nehmen jetzt? Unglaubwürdig.Okay. Okay. Ich seh schon, Sie haben ein Buch gekauftund Sie wollen ein Buch. Aber Buch hin, Buch her, ich kannnicht schreiben. Keine Ahnung, woran das liegt. IntellektuelleImpotenz. Im Kopf funktioniert es wunderbar, aber kaumgehts um was, versagt mein primäres Schreiborgan und ichliege reglos auf der Couch. Und denke mir, ich sollte michein wenig bewegen, der Gesundheit zuliebe. Wobei das mitder Bewegung ist ja nur eine Sache des Bezugssystems. Bewegungist nur relativ zu einem Bezugspunkt nachweisbar. Wennich auf der Couch liege, bewege ich mich sogar sehr schnell.Und zwar mit der Erde, die sich mit circa 1.240 km/h umihre eigene Achse dre... Mehr